Rauracherzentrum Riehen Süd: Moderne Transformation und Grüne Oase
Nach mehr als 46 Jahren erhält das Zentrum von Riehen Süd ein zeitgemässes Kleid und eine verbesserte Wärmedämmung. Die Sanierung des Gebäudekomplexes, der sowohl gewerblich genutzt wird als auch Wohnungen beherbergt, gestaltet sich dabei als eine anspruchsvolle und sensible Aufgabe zugleich.
Das 1978 von den Riehener Architektenbrüdern Paul und Karl Berger erbaute Rauracherzentrum ist auch heute noch das unbestrittene Zentrum von Riehen Süd. Vierzehn gewerbliche Mieter, darunter diverse Arzt- und Physiotherapiepraxen, Läden für den täglichen Bedarf und eine Bank, versorgen das Quartier mit ihren Dienstleistungen. Ursprünglich gehörten ein Restaurant und eine Saunalandschaft zum Gebäudekomplex. Die Restaurantterrasse war über eine Wendeltreppe direkt vom Eingangshof aus zu erreichen.
Im Jahr 2006 erfolgte die bauliche Erweiterung des Coop-TotalStore nach Nordosten sowie die Überdachung des Eingangshofes mit einer Horizontalverglasung und einem darüberliegenden schweren, stark verschattenden Gitterrost.
Die typische 70er-Jahre-Fassade, materialisiert mit vorgehängten Waschbetonelementen und Metallflächen - in mittlerweile unzähligen, kräftigen Orangefarbtönen - sollte auf Wunsch der Bauherrschaft einem zeitgemässen Kleid mit deutlich verbesserter Wärmedämmung weichen. Gleichzeitig sollten die elf Maisonette- und vier Etagenwohnungen den heutigen Marktbedürfnissen angepasst werden.
Innovative Lösungen gesucht
2020 wurde die bestehende Fassade auf eine mögliche Erhaltung hin untersucht.
«Eine Überdämmung der Waschbetonplatten wäre riskant gewesen, da die bereits zersetzte, minimale Dämmung (2-4cm) im Bereich der Aufhängung Hohlräume bildete», kam Stefan Knüsel, Projektleiter bei Rapp zum Schluss. «Zudem stellten wir teilweise schon eine einsetzende Korrosion fest, sodass die Sicherheit der Tragfähigkeit nicht für Jahrzehnte gewährleisten werden konnte. Ausserdem hätte eine aufgesetzte Dämmung zu unangenehm tiefen Fensterleibungen und reduzierten Verglasungsflächen geführt».
Das Beibehalten der Aussenhülle mit einer Innendämmung wurde aus bauphysikalischen Gründen (sensibel bezüglich Bauschäden, Beschädigungen an der Dampfbremse) insbesondere bei Mietwohnungen nicht empfohlen. Zudem hätte eine innere Dämmung die vermietbare Fläche reduziert. Das Team entwarf daher einen Ersatz der vorgehängten Elemente durch eine hochgedämmte Holzfassade. Diese sollte jedoch die Geschichte des Gebäudes nicht einfach auslöschen, sondern in ihrer Tektonik an die ursprüngliche Collage aus Waschbetonelementen und Ortbetonstützen erinnern.
Attraktives Fassadenkonzept und energetische Sanierung
Die Holzfassade sollte in ihrer Gliederung und Tektonik an das Prinzip der ursprünglichen Elementfassade mit sichtbaren Ortbetonstützen erinnern soll. Der gesamte Ortbeton wurde überdämmt und die geschlossene Holzschalung verweist auf die tragende Funktion der darunter liegenden Stützen. Die offene und Tiefe erzeugende Holzlamellierung setzt nun die Verkleidungsfunktion der vorgehängten Waschbetonplatten fort. Den unteren und oberen Abschluss der Flächen bildet ein massives Holzgesims. Das Spiel der drei Tektonik-Typologien wird durch die gemeinsame Materialisierung verstärkt; die Schweizer Weisstanne ist mit natürlichen Schlammfarbe lasiert und mit rohem Edelstahl vor Witterungseinflüssen geschützt. Das System ist langlebig und erzeugt von Anfang an ein attraktives Fassadenkleid ohne sichtbare Vergrauung. Nicht brennbare Steinwolle übernimmt in weicher Konsistenz die Dämmfunktion und dient zusätzlich in fester Form als Befestigungsgrundlage für die unsichtbar montierten Lamellenroste.
Konstruktionsbedingt waren nun höhere Fenster und rahmenlose Fensterflügel möglich, was zu besseren Proportionen und einem höheren Verglasungsanteil führte. Die Farbgebung wurde mit der Dorfbildkommission abgestimmt und erzeugt eine einladende Gesamtwirkung.
Eine bauphysikalische Herausforderung stellte der Übergang vom Erdgeschoss zu den Obergeschossen dar. Da die Verkaufsfläche im Erdgeschoss nicht Teil des Projektperimeters war und somit nicht gedämmt wurde, mussten die Übergänge genau geplant werden. Mit Hilfe von Isothermenberechnungen konnten diese Übergänge so optimiert werden, dass der Wärmeschutz gewährleistet ist und die ästhetischen Anforderungen erfüllt werden. Die energetische Sanierung beinhaltete auch eine umfassende Erneuerung der übrigen Dachflächen mit erhöhter Dämmung und extensiver Begrünung. Der bisher nur mässige Trittschallschutz konnte auf Basis von Schallmessungen im Bestand so optimiert werden, dass er der heutigen gesetzlichen Norm entspricht.
Die bestehende Situation des Glasdaches aus dem Jahr 2003 war nicht reinigungsfreundlich. Diverse Gläser waren defekt und Fugen undicht. Die Raumatmosphäre war durch die ständige Verschattung unattraktiv und der ursprünglich freie Blick auf den Himmel und umliegenden Fassaden versperrt. Aus mehreren Konzeptvarianten konnte der Bauherr für eine Lösung gewonnen werden, die Leichtigkeit vermittelt und Tageslicht in die Ladenpassage lenkt. Zudem war das Glasdach aus erdbebentechnischer Sicht nicht ausreichend im Baukörper verankert. Dies wurde im Zuge der Fassadensanierung behoben. Gleichzeitig erhielten auch die angrenzende Ladenpassage bis und mit Einstellhalle eine freundliche Gestaltung.
Die Küchen der Wohnungen wurden neu offen zum Wohnraum gestaltet. Der in die Kochinsel integrierte Umluft-Dunstabzug, die Trittschalldämmung, der neu strukturierte Nasszellenblock mit Waschturm im separaten Reduit und das bisher fehlende Gäste-WC zeugen von weiteren Komfortverbesserungen.
Vielfältige Herausforderungen gemeistert
Das Projekt wurde in zwei Etappen saniert, um den Wohnungsmietern durch interne Rochaden einen Verbleib auf dem Areal zu ermöglichen. Auch den besonders betroffenen gewerblichen Mietern (Hausärzte, Physiotherapeut) wurden temporäre Umzüge innerhalb des Gebäudes ermöglicht.
Die beengten Platzverhältnisse auf dem stark frequentierten Areal erforderten den Einsatz eines über die LKW-Durchfahrt hochgebockten, 80 m hohen Auslegekrans, eine ausgeklügelte Baustellenlogistik und ein zeitlich gestaffeltes Arbeiten an der Gebäudehülle. Als ob der vorhandene Bauplatz für Mulden, Lager und die zahlreichen Baumaterialtransporte nicht schon eng genug gewesen wäre, mussten die Coop- und Shopanlieferungs-LKWs täglich durch die Baustelle geschleust werden. Zudem teilte die Bauherrschaft nach Baustart überraschend mit, dass gleichzeitig mit der intensiven zweiten Bauetappe die gesamte Coop-Filiale umgebaut werden soll. Glücklicherweise wurde die zeitgleich geplante Totalsanierung der Rauracherstrasse zurückgestellt. Mit dem Umbau der Filiale bot sich die Gelegenheit, den mächtigen Rückkühler auf dem Flachdach des Hauses 35 zu verkleinern und von der Dachkante wegzurücken. Zudem konnte aufgrund des neuen Ladenkonzepts auf eine Besprinklerung der Fläche unter dem Glasdach verzichtet werden.
Wenige Monate nach Baubeginn zeigte sich, dass der Zustand der bestehenden Wärmeverteilung in den Wohnungen so schlecht und die Leitungsführung so ungeschützt war, dass sie den Umbau nicht überstehen würde. Auf engstem Raum wurden die neuen Leitungen im bestehenden Unterlagsboden verlegt und gedämmt. Nicht nur die hochwertige Gebäudehülle, sondern auch die Erneuerung der Wärmerückgewinnung, der Brauchwassererwärmung und der Gebäudeautomation führten zu einer deutlichen Reduktion des Heizwärmbedarfs.
Trotz ausserordentlicher Ereignisse wie Corona-Pandemie, Lieferengpässen und stark gestiegenen Materialpreisen konnten Termine und Kosten eingehalten werden.
Nachhaltige Aufwertung der Grünflächen
Der Dachgarten über der Coop-Filiale wurde im Zuge der Sanierung aufgewertet. Ursprünglich durch Betonelementwände voneinander abgeschottet, sind die hier angelegten elf Reihengärten und die gemeinschaftliche Vorzone jetzt für die Bewohnerinnen und Bewohner besser zugänglich. Jede Mietwohnung besitzt eine Terrasse aus langlebigem Accoya-Holz, seitlich getrennt durch schalldämmende Holzwände. Betonplatten mit Holzstruktur und Stahlband-Einfassung vermitteln zwischen Sichtbetonflächen und neuem Holzkonzept im Gemeinschaftsbereich. Einheimische Sträucher wie Kornelkirsche, Pfaffenhütchen oder Gemeiner Schneeball werten die auch als Sichtschutz dienende Hecke ökologisch auf.
Der Gebäudekomplex ist von Grünflächen umgeben. Gepflanzte Sträucher, darunter Kupfer-Felsenbirne und Strauch-Efeu, bereichern die neu gestalteten Grünflächen, Hochstamm-Waldföhren dienen als Klimabäume. Die entlang der Niederholzstrasse und an der Ecke Rauracherstrasse neu gestalteten Flächen beinhalten lineare Heckenstrukturen und flächige Pflanzungen.