«Dezentrale Stromproduktion wird zum Mainstream»
Mit dem revidierten Energiegesetz können sich seit dem 1. Januar 2018 Verwaltungen und Immobilienbesitzer:innen zusammentun, um den Strom selber zu produzieren und zu verbrauchen. Fabian Baerlocher, Experte Energie & ZEV-Entwicklung bei Rapp, erklärt im Gespräch, was das sowohl für die Eigentümer von Liegenschaften als auch für die Wohnparteien bedeutet.
20.11.2022
Wie weit verbreitet sind diese Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch (ZEV) in der Schweiz?
Im Monitoringbericht zur Energiestrategie 2050 des Bundesamts für Energie ist seit 2018 ein starker Anstieg an Eigenverbrauchsanlagen, insbesondere ZEV-Anlagen, erkennbar. Von 2019 auf 2020 hat sich die Anzahl der PV-Anlagen in ZEV von 3000 auf fast 6000 Anlagen verdoppelt. Dies entspricht bereits 1,5 Prozent des Gesamtstromverbrauchs in der Schweiz in nur drei Jahren. Diesen Trend spüren wir bei Rapp auch bei unseren Stammkunden.
Wieso braucht es auch beim ZEV weiterhin Rapp als Spezialisten für Abrechnungs- und Messsysteme für Energie-, Wasser- und Nebenkosten?
Die Stromabrechnung im ZEV ist für viele Verwaltungen und Eigentümer etwas komplett Neues. Genau da knüpft Rapp an. Mit der Erweiterung der traditionellen Dienstleistungen im Abrechnungs- und Messgeschäft mit der Stromabrechnung im ZEV offeriert Rapp die Energie- und Nebenkostenabrechnung aus einer Hand. Davon profitiert die Kundschaft gleich doppelt, denn mit der ZEV-Abrechnung auf dem neuesten technologischen Stand und mit den digitalen Hilfsmitteln wird auch das traditionelle Abrechnungsgeschäft stetig modernisiert. Dadurch ist und bleibt Rapp auch in Zukunft der gewohnt verlässliche Partner im Abrechnungsgeschäft.
Wie stellt Rapp sicher, dass diese Abrechnungen auch in dezentralen Energiesystemen verbrauchsabhängig erfolgen?
Der Ausdruck «dezentrale Energiesysteme» bezieht sich vor allem auf die Betrachtung im Stromsektor, in dem die Energie in zentralisierten Grosskraftwerken produziert und an die Endkunden verteilt wird. Im dezentralen Energiesystem wird neu ein gewisser Anteil des Stromes direkt in den Gebäuden erzeugt. Als Expertin mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Energiemessung und -abrechnung kann sich Rapp auf das Know-how und die Detailkenntnisse abstützen. Im ZEV-Umfeld werden dabei modernste Smart Meter eingesetzt, die den Strommix aus PV-Strom und Netzeinspeisung jede Viertelstunde im Gebäude messen und entsprechend den Verbrauchern zuweisen. So wird exakt ermittelt, wer wie viel und von welchem Strom konsumiert – die Basis für die automatische Abrechnung. Für die Verwaltung erzeugt dies keinen Mehraufwand und für die Endkunden steigen mit unserem webbasierten Onlinetool die Transparenz und der Komfort für die Energieabrechnung.
Welche Rolle kommt dabei der Digitalisierung zu?
Die Digitalisierung ist bei der Dezentralisierung und Dekarbonisierung ein wichtiger Treiber für die Transformation der Energiewirtschaft. Zudem bringt die Digitalisierung neue Geschäftsmodelle hervor. Durch die Konvergenz der Systeme wächst die Komplexität an. Dabei hilft die Digitalisierung, Prozesse zu vereinfachen, datenbasierte Trends zu erkennen und erhebliches Optimierungspotenzial zu erzielen. Die Digitalisierung ist für uns eine unternehmerische Aufgabe und wird deshalb in der Gesamtstrategie eingebettet.
Rapp macht sich fit für die Zukunft – was sind die Herausforderungen bei einer solchen Umstellung?
Die Technologie im Umfeld der Messgeräte entwickelt sich rasant. Zudem wachsen die Möglichkeiten, die die Digitalisierung mit sich bringt. Gerade im Gebäudebereich sind aber die Zyklen eher langfristig, was unweigerlich zu einem Spannungsfeld führt. Der Übergang vom analogen Umfeld hin zu einem modernen und digitalen Gebäudepark bedarf unterschiedlicher Kompetenzen. Für uns ist wichtig, dass sich unsere Kunden zu 100 Prozent auf uns verlassen können, unabhängig davon, ob sie noch ältere, wenig digitalisierte Portfolios bearbeiten oder die neueste Technologie mit hohem Automatisierungsgrad im Einsatz haben. Dieses Spannungsfeld erhöht die Anforderungen an unsere Mitarbeitenden, deren Einsatzgebiete immer breiter und nicht selten anspruchsvoller werden. Deshalb legen wir grossen Wert auf die stetige Weiterbildung und Förderung unserer Mitarbeitenden. Eine sorgfältige Abwägung und ein gutes Gespür für Trends und Kundenbedürfnisse bilden die Basis für die Entwicklung der Dienstleistungsangebote.
Zeichnen sich mit der Erneuerung auch Schnittstellen zu anderen Geschäftsbereichen von Rapp ab, wo ihre Kompetenz und ihr Know-how gefragt sind?
Unbedingt! Dazu ein Beispiel: Das traditionelle Abrechnungsgeschäft befasst sich seit jeher mit dem Erfassen, Verarbeiten und Auswerten von Daten. Im Zuge der Digitalisierung geschieht dies über IoT-Geräte (Internet of Things). Auch die anderen Bereiche von Rapp schreiten in der Digitalisierung voran, wie beispielsweise mit BIM. Die Integration von IoT-Geräten in BIM-Modellen ermöglicht in der Planungs- und Projektierungsphase genauere Vorhersagen für den Betrieb. Somit können schon frühzeitige Optimierungen für den Betrieb erzielt werden, was wiederum mehr Effizienz und besonders eine erhöhte Nachhaltigkeit bewirkt.
Fabian Baerlocher ist Umweltingenieur mit einem Master der ETH Zürich und einem MBA. Energie- und Klimathemen interessieren ihn schon seit seiner Kindheit. Er hat mehr als 18 Jahre Berufserfahrung im Energiekontext und ist seit März 2022 bei der Rapp AG als Experte zuständig für Energiethemen und ZEV. Zuvor arbeitete er in internationalen und in nationalen Energieunternehmen. Ausserdem gründete und leitete er als Co-CEO das Start-up Ormera. Sein Spezialgebiet sind Erneuerbare Energien und Energiesysteme. Im Rahmen seiner Funktion entwickelt er neue Produkte und baut neue Dienstleistungen im Energiebereich auf. |