Ein sicherer Ort für Frauen und ihre Kinder
Das Frauenhaus beider Basel bietet seit 1981 Frauen und Kindern Zuflucht und Schutz vor häuslicher Gewalt. Allein im Jahr 2023 fanden 99 Frauen und 68 Kinder dort Sicherheit und Beratung. Rapp hat die Stiftung mit einer namhaften Spende unterstützt.
Die Arbeit im Frauenhaus erinnert an den endlosen Kampf von Sisyphus, dem König von Korinth, der immer wieder vergeblich versuchte, einen Felsbrocken einen Berg hochzurollen. Die Gründerinnen hofften 1981 noch, dass ein solches Frauenhaus bald überflüssig sein würde. «Dem ist leider nicht so», sagt Anita Olah-Erichsen, die für die Kommunikation und das Fundraising zuständig ist. Auch sie erlebe die Arbeit gegen häusliche Gewalt oft als endlosen Kampf, bei dem man immer wieder von vorne anfangen müsse, erzählt sie im Gespräch. Dennoch sei der Alltag in einem Frauenhaus von individuellen Erfolgsgeschichten geprägt.
Erschreckende Zahlen und Realitäten
Wie weit für viele Frauen das Ziel eines gewaltfreien Lebens entfernt ist, machen die Statistiken deutlich. Die Zahl der polizeilich registrierten Fälle häuslicher Gewalt ist konstant hoch, mit rund 20’000 gemeldeten Fällen in den Jahren 2022 und 2023. Mehr als Verkehrsunfälle! Und noch alarmierender: Alle zwei Wochen sterben Frauen und Mädchen an den Folgen dieser Gewalt. Die Täter: aktuelle oder ehemalige Partner, aber auch Söhne, Brüder oder sogar die Eltern. «Ich wünschte, es wäre anders», sagt Olah-Erichsen. Das Frauenhaus verzeichnete 2023 ebenfalls einen Anstieg bei den Anrufen, mit insgesamt 650 Anrufen. Im 2024 werden es noch mehr sein. «Nicht alle, die anriefen, suchten einen Schutzplatz», erklärt sie. «Etwa die Hälfte wollte Beratung oder Informationen, um herauszufinden, ob ein Aufenthalt im Frauenhaus in ihrer Situation das Richtige ist.»
Die Ursachen häuslicher Gewalt sind vielfältig. Studien zeigen, dass Gewalt in Partnerschaften oft stärker mit den Charakterzügen des gewaltausübenden Partners als mit den Eigenschaften der betroffenen Frau zusammenhängt.
Erstes Ziel: Ruhe finden
Ein Aufenthalt im Frauenhaus ist immer freiwillig. Die Sozialarbeiterinnen und Sozialpädagoginnen unterstützen die Frauen in einem Vier-Phasen-Modell. «Die ersten Tage sind enorm wichtig», betont Olah-Erichsen. Als erste Massnahme geben die Frauen ihre Handys ab, damit sie von den Tätern nicht gefunden werden. Nach dem Eintritt geht es vor allem darum, die Sicherheit zu gewährleisten, die Klientin zu stabilisieren, die aktuelle Ausgangslage zu erfassen und Vertrauen zur Beraterin aufzubauen. «Die Klientin soll zur Ruhe kommen, sich erholen und sich Zeit nehmen, um sich auf die neue Situation einzulassen.» Diese sei ohnehin schon schwer genug, doch in diesen Momenten der Ruhe berichten die Frauen, dass ihnen zum ersten Mal geglaubt wird.
Neue Perspektiven ausloten
Danach steht die Zukunftsplanung im Mittelpunkt. «Der Klientin werden neue Perspektiven aufgezeigt», betont Olah-Erichsen. Sie soll Klarheit über ihre Rechte und Handlungsspielräume bekommen, bevor sie weitere Schritte einleitet. Die Schutzsuchenden setzen sich auch mit ihrer Gewalt- und Gefährdungssituation auseinander. «Bei Misshandlungen zeigt der Partner oft Reue und verspricht, sein Verhalten zu ändern». Leider würden solche Beteuerungen selten zu einer Verhaltensänderung führen. Viele Täter rechtfertigen ihre Gewaltausbrüche mit einer Überforderung. «Sie suchen die Gründe für den Kontrollverlust bei der Partnerin und schieben die Verantwortung für ihr Handeln auf das Opfer», erklärt Olah-Erichsen.
Grosse Gefahr bei Trennung
Ohne Hilfe von aussen dreht sich die Spirale oft weiter. Auch nach dreieinhalb Jahren ist die Kommunikationsfachfrau erstaunt, wie viel die Schutzsuchenden aushalten. «Es geht in der Regel sehr lange, bis sie sich für einen Eintritt in das Frauenhaus entscheiden.» Das sei überhaupt der gefährlichste und schwierigste Moment für die Frauen! Oft sind familiäre Strukturen im Spiel, die Druck ausüben, oder finanzielle Abhängigkeiten, wenn der Frau der Zugang zu Geld verwehrt wird. Und es darf auch nicht vergessen gehen, dass in der Regel am Anfang einer Gewaltgeschichte eine Liebesgeschichte stand. Eines ist sicher: Bei einer Trennung eskaliert die Situation häufig, auch wenn Kinder im Spiel sind. Sie sind besonders betroffen, weil sie nicht wissen, was auf sie zukommt: «Sie wollen einfach, dass es beiden Elternteilen gut geht». Wie die Frauen leiden auch die Kinder unter der Gewalt «So kann es auch sein, dass Kinder als Druckmittel eingesetzt werden», sagt Olah-Erichsen. Es wird gedroht, die Kinder zu entführen oder ihnen etwas anzutun.
Stärkung der Eigenständigkeit
Sobald die Frauen und die Kinder das Schutzhaus verlassen, endet die Arbeit des Frauenhauses. «Manche waren nur ein paar Tage hier, andere mehrere Wochen», sagt Olah-Erichsen. Eine Nachbetreuung, ausser im Zusatzangebot PasserElle, existiert im Moment nur punktuell. Deshalb wird in der letzten Phase vor allem auch die Vernetzung der Klientin gesichert. «Sie geht alle Schritte wie Wohnungs- und Arbeitssuche eigenverantwortlich an.» Gewalt kann jede Frau treffen, unabhängig von ihrer sozialen oder kulturellen Herkunft. 2023 starben in der Schweiz 20 Frauen an den Folgen häuslicher Gewalt, weitere 20 bis 40 Frauen wurden Opfer von Tötungsversuchen. «Nicht alle Frauen wenden sich an uns, wenn sie Gewalt erleben», erklärt sie. Frauen, die wirtschaftlich unabhängiger oder weniger auf ihren Partner angewiesen sind, finden oft andere Wege, sich aus der Gewaltspirale zu befreien.
Nicht wegsehen
Was können wir als Gesellschaft tun? «Wenn wir häusliche Gewalt in der Partnerschaft banalisieren oder Gleichstellung der Geschlechter wenig Bedeutung beimessen, so begünstigt das die Gewalt», so Olah-Erichsen. Daher ruft sie dazu auf, nicht wegzusehen – bei Freundinnen, Kolleginnen oder Nachbarn, aber auch bei Freunden und Kollegen. «Wir alle kennen eine Frau, die betroffen ist», um gleich hinzuzufügen, dass «bezeichnenderweise nie jemand einen Täter kennt.» Auch nach bald 45 Jahren bleibt das Frauenhaus eine wichtige Institution im Kampf gegen häusliche Gewalt. Projekte wie «Liaison» und «ImPuls» bieten in Zusammenarbeit mit den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel psychologische Unterstützung. Doch trotz aller Anstrengungen stösst das Frauenhaus oft an seine Kapazitätsgrenzen: Im Jahr 2023 mussten 18 Prozent der Frauen aus Platzmangel abgewiesen werden. «Das ist für uns schwer zu ertragen, umso wichtiger ist, dass wir den Anruferinnen eine andere Lösung aufzeigen und mit ihnen weitere Schritte definieren können. Zudem dürfen sie jederzeit wieder im Frauenhaus anrufen.» Das Frauenhaus ist und bleibt ein Ort der Zuflucht und der Hoffnung. Solange es häusliche Gewalt gibt, wird seine Arbeit unverzichtbar bleiben.
Wenn wir häusliche Gewalt in der Partnerschaft banalisieren oder Gleichstellung der Geschlechter wenig Bedeutung beimessen, so fördert das die Gewalt.
35 Zahl der Mitarbeiterinnen
10 Betten für Frauen
7 Betten für Kinder
27 Tage Durchschnittlicher Aufenthalt im Frauenhaus
47 Tage Durchschnittlicher Aufenthalt in der PasserElle
Projekt Liaison
Das Projekt «Gewaltbetroffene Mütter und Kinder stärken» (Liaison) ist in Zusammenarbeit mit der Klinik für Kinder und Jugendliche der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (UPKKJ) entstanden. Ziel des Projekts ist eine schnelle und niederschwellige kinder- und jugendpsychologische Erstintervention mit Fokus auf der Resilienz-Förderung. Das Angebot umfasst Sprechstunden, Besuche im internen Spielangebot, Notfalleinsätze, sowie Austausch von Fachwissen und ist allen Müttern und Kindern im Frauenhaus in-house zugänglich.
ImPuls - Erstintervention psychologische Unterstützung
Während des Aufenthaltes im Frauenhaus setzen sich Schutzsuchende mit ihrer Gewaltbetroffenheit und Gefährdungssituation auseinander, was sehr belastend ist und zu Krisensituationen führen kann. Mögliche Folgen der oft langjährigen Gewalt sind Traumata und psychische Herausforderungen. Seit Sommer 2023 bietet ein zweijähriges Pilotprojekt im Frauenhaus beider Basel allen Klientinnen eine niederschwellige, psychologische Erstintervention durch den Kooperationspartner UPK. Dies ermöglicht eine zeitnahe psychotherapeutische Unterstützung nach häuslicher Gewalt.