«Die Berufslehre ist der Königsweg»
Vielen Betrieben gehen die Lehrlinge aus. Auch Rapp sucht jedes Jahr händeringend nach Nachwuchs. Doch so einfach ist es nicht, neue und motivierte Jugendliche für eine Lehre zu überzeugen. Rapp versucht es unter anderem, die Lehrberufe über Betriebsbesichtigungen den Lehrerinnen und Lehrern näherzubringen. Das findet Patricia Lamri-Zeggar im Gespräch gut.
22.11.2023
Frau Lamri-Zeggar, sie sind beim Kanton Basel-Landschaft als Berufs-, Studien- und Laufbahnberaterin tätig und heute mit rund 20 Lehrerinnen und Lehrern hier auf Besuch bei der Rapp AG. Was ist der Grund des Besuches?
Wir führen seit rund 20 Jahren sogenannte Wirtschaftskontakte für die Lehrerinnen und Lehrer im Kanton Basel-Landschaft durch. Wie es der Name schon vermuten lässt, versuchen wir über Betriebsbesichtigungen den Lehrpersonen die verschiedenen Lehrbetriebe und die Berufe näher zu bringen. So erhalten sie wichtige Informationen aus erster Hand, um dann die Schülerinnen und Schüler bei der Lehrstellensuche unterstützen zu können.
Wie ist der Kontakt mit der Rapp AG zustande gekommen?
Wir organisieren pro Jahr zwei bis drei solcher Kontakte. Dabei legen wir den Fokus immer wieder neu. In diesem Jahr wollten wir auch Lehrausbildungen präsentieren, die für Sekundarschüler:innen der Leistungszüge E und P attraktiv sein könnten. Dies sind Schulabgänger:innen, die häufig weiterführende Schulen besuchen oder ins Gymnasium wechseln. Und wir wollten sämtliche Bau-Zeichnerberufe gleichzeitig vorstellen, damit ein Vergleich stattfinden konnte.
Deshalb also bei Rapp?
Genau. Es gibt nicht viele Planungsbüros, die gross genug sind, dass sie sowohl Zeichner:innen Architektur als auch Ingenieurbau ausbilden. Erstere sind bei den Jugendlichen sehr hoch im Kurs, doch sie wissen nicht genau, was sich hinter der Lehre verbirgt. Zusätzlich bietet Rapp auch eine Lehre als Geomatiker:in an und so konnte dieser relativ seltene, aber spannende Beruf auch noch näher kennengelernt werden.
Patricia Lamri-Zeggar (61) ist studierte Psychologin und seit über 30 Jahren in der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung tätig. Sie hat ein Zusatzstudium als Berufsberaterin absolviert. Als Berufs-, Studien- und Laufbahnberaterin am Laufbahnzentrum im Kanton Basel-Landschaft unterstützt und berät sie alle Personen in Baselland bei der aktiven Gestaltung ihrer individuellen beruflichen Laufbahn. Kinder und Jugendliche werden frühzeitig und kontinuierlich für die Themen der Laufbahngestaltung sensibilisiert. Dabei werden die Eltern aktiv miteinbezogen.
Welche Erkenntnisse nehmen Sie mit?
Dass sowohl die Zeichnerberufe in der Architektur und im Ingenieurbau wie auch die Lehre als Geomatiker:in technische und keine gestalterischen Berufe sind. Trotzdem sind diese Berufe für junge Menschen sehr attraktiv und reizvoll, denn sie bringen einige Merkmale mit, die junge Menschen von heute interessieren.
Und die wären?
An erster Stelle steht die Arbeit am Computer. Man zeichnet Projekt- und Ausführungspläne, visualisiert wie bei den Geomatiker:in raumbezogene Informationen und pendelt zwischen Büro und Baustelle hin und her. Das gefällt den Jugendlichen. Die Zeichnerberufe sind beispielsweise eine gute Alternative zu einer Lehre als Informatiker:in und zudem ein ideales Sprungbrett, wenn man später einen gestalterischen Beruf wie Architekt:in studieren möchte.
Was hat Sie heute am meisten beeindruckt?
Der Drohnenflug mit den Geomatikern. Unglaublich spannend, wie schnell sich eine Umgebung oder ein Gebäude vermessen lässt! Und die Bedienung gleicht einer Spielkonsole. Das finden die Jugendlichen spannend und damit können sie sich identifizieren.
Das Mass aller Dinge scheint unter Jugendlichen das Gymnasium zu sein?
Dabei ist die Berufslehre eine gute Alternative. Fakt ist, dass zwei Drittel der Jugendlichen heute in der Schweiz eine Lehre absolvieren. Es ist ein Mythos, dass alle eine akademische Karriere anstreben. Für mich – und wir haben es von allen Berufsleuten bei Rapp ebenfalls gehört! - ist die Lehre nach wie vor der Königsweg, denn man lernt einen Beruf von der Pike auf. Und die Lehre als Zeichner:in zeigt exemplarisch auf, dass man sich später weiterbilden kann und auch ein Studium drin liegt.
Inwiefern können Lehrerinnen und Lehrer die Heranwachsenden in ihren Entscheidungen beeinflussen?
Der Grad der Beeinflussung hängt immer von vielen Faktoren ab. Beispielsweise wie das Verhältnis der Jugendlichen zu den Eltern ist oder wie es mit der Lehrstellensuche in den jeweiligen Klassen aussieht. Aber es ist nach wie vor so, dass die wichtigen Entscheidungen in den Familien getroffen werden. Der Einfluss der Lehrpersonen ist dann gross, wenn Bezugspersonen fehlen. Zudem können Lehrerinnen und Lehrer attraktive Projektwochen gestalten, in denen sie ihre Schülerinnen und Schüler auf die Berufswahl vorbereiten.
Fachkräftemangel beschäftigt einige Branchen. Auch die Rapp AG sucht händeringend immer nach Nachwuchs. Was müssen die Unternehmen tun, damit sie für die Jugendlichen attraktiver werden?
Unternehmen sind heute sehr einfallsreich, wenn es um das Buhlen von Jugendlichen geht. Mit manchmal abstrusen ‘Goodies’, versuchen sie neue Lernende für sich zu gewinnen. Das bedaure ich sehr, denn es setzt auf die falschen Anreize. Wir von der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung finden, dass man über Informationen und Transparenz den Weg in die Lehre finden soll. Was interessiert mich? Wie möchte ich meine Stärken einbringen? Wie sieht das Weiterbildungsangebot nach der Lehre aus? Solche Fragen sollten im Vordergrund stehen. Deshalb sollten alle Jugendlichen Möglichkeiten bekommen, selber zu entdecken, was alles hinter einem Lehrberuf steht.