Ein Fundstück mit Rätseln
Die weit in die Blockrandmitte reichende Parzelle liegt ganz im ruhigen Westen des ansonsten lebendigen Gundeldingen-Quartiers. Das repräsentativste der drei Bauten, das Vorderhaus, ist Teil einer ursprünglich gewachsenen Bebauung aus der Gründerzeit des späten 19. Jahrhunderts.
Das INSA (Inventar der neueren Schweizer Architektur) führt auf, dass der Architekt Daniel Kessler hier im Jahr 1895 Wohnungen «mit gemeinsamem Badezimmer» erstellte und 1902 die Gebrüder Metz die Liegenschaft erwarben und in den Hintergebäuden einen Kunstverlag für Postkarten und Fotografien einrichteten.
Bei der intensiven Recherche nach historischen Grundlagen überraschte eine originale Planzeichnung mit einer Hauptfassade, welche deutlich reicher gestaltet war als Ende 2021 vor Ort angetroffen. Insbesondere das Sockelgeschoss wies auf dem alten Plan eine charakteristische Bänderung (Quadrierung) auf, aber auch tektonische Stilmittel wie mehrfach abgestufte Verdachungen, profilierte Einfassungen, Gurtgesimse, Lisenen und Schmucksteine sind darauf zu erkennen. Dass aus Spargründen darauf verzichtet wurde, ist im Umfeld des damaligen Gründerbooms fast nicht vorstellbar.
Die Einteilung der Fensteröffnungen war grundsätzlich noch dieselbe. Einzig die Balkone an der Hoffassade wurden in den ersten Jahrzehnten angebaut, wozu die ehemaligen Fensteröffnungen in Türöffnungen umgewandelt wurden. Ob Rolläden an der Hauptfassade zum ursprünglichen Bestand gehörten oder zu einem frühem Zeitpunkt nachträglich an- und eingebaut wurden, bleibt ein Rätsel. Jedenfalls fanden sich nur im Erdgeschoss eigentliche Nischen unter dem Gewände. Die in den repräsentativen Hauptgeschossen aufgesetzten Blechblenden über den Walzen trübten die Lesbarkeit der Fassaden nicht unwesentlich.
Die vom Restauratorbetrieb Buess, Gelterkinden getätigten Sondierungen zeigten, dass die Verputzfläche der Strassenfassade wie auch die gliedernden Architekturelemente in der Vergangenheit mehrfach und leider eifrig überarbeitet wurden. Von einer bauzeitlichen Farbigkeit des Verputzes war keine Spur mehr vorhanden, doch konnten auf dem Sandstein spärliche, fragmentarische Befunde einer gräulich-beigen Ölfarbe herausgeschält werden. Die Rückfassade wurde glücklicherweise nicht durchgehend erneuert, weshalb unter einer überraschend grünen Farbschicht im Balkonbereich ebenfalls zarte hellgraubeige Originalfarbtöne auftauchten. Schlagläden und Fenster sind neueren Datums, rund 100-jährig treten hingegen die Balkone in Erscheinung. Die Sichtbemalung verbirgt hier eine ursprünglich graue Ölfarbe und unter dem obersten Dach ist die historische Deckengestaltung mit Stuckstab sichtbar. Die Vermutung wurde bei den Sondagen zudem bekräftigt, dass diverse Ornamentik der Hauptfassade in den Nachkriegsjahren einfach entfernt, statt renoviert wurden.
Bei den inneren Böden hingegen kam schon mehr zum Vorschein. Vielerorts fanden sich im Wohnbereich unter einfachem Fertigparkett und PVC-Belägen hochwertige Fischgrat- und Kassetten-Masssivparkette und im Treppenhaus sowie den ursprünglichen Küchen originale Plattenmosaike. Erst in Folge der vollflächigen Freilegung wurde der Zustand bewertbar. Teils waren die Originalböden aufgrund von Vernagelungen beim Parkett oder Brüchen und Abplatzungen stark havariert.
Ein behördlicher Hindernislauf
Das Projekt startete mit einem heftigen Spurt. Auslöser war die berüchtigte Basler Gesetzesänderung zum Wohnschutz, welche per 31. Mai 2022 in Kraft trat. Sorgfältige und umfassende Sanierungen mussten bis zu diesem Zeitpunkt baubewilligt sein, sollten sie denn noch kostendeckend ausgeführt werden. Die damals schon legendär lange Bauwilligungsdauer nötigte Bauherr und Planer zu einer raschen Baugesuchseingabe. Das Gesuch wurde innert Monatsfrist anfangs Dezember 2021 eingereicht. Die Baubewilligung kam nach fragwürdigen Nachsendungswünschen und am Schluss täglichen Nachhaken just einen Tag vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung. Soweit so gut wurde die nächste behördliche Hürde ins Visier genommen.
Die geplante Dachgaube mit Austritt auf einen aufgestockten Balkon wurde durch eine 2018 verschärfte Gesetzgebung vom Bauinspektorat bei Vorabklärungen abgelehnt. Der Anwalt des Bauherrn fand heraus, dass bereits ein Rekurs gegen diese Gesetzesauslegung hängig war und im Herbst 22 Klarheit bringen sollte. Tatsächlich wurde dem Einsprecher im September Recht gegeben und mit einem erneuten Spurt wurde anfangs November ein zweites Baugesuch mit dem gewünschten Dachausbau eingereicht. Acht Tage nach Baustart anfangs März 2023 traf auch diese Baubewilligung ein.
In der Zwischenzeit stiegen die Kosten aufgrund der überhitzten Marktlage im Baugewerbe (und der im Projektverlauf erfreulich erwachten Gestaltungslust des Bauherrn) deutlich an und eine rigorose Sparrunde gefährdete die sorgfältig geplanten Restaurationsarbeiten. Dank dem vorbildlichen Engagement der neu zuständigen Denkmalpflegerin Rita Saxer wurden nun die einschneidenden Brandschutzauflagen hinterfragt. Überraschend gelang es, das Bauinspektorat zu überzeugen, dass die zum Teil originalen Stuckdecken nicht zerstört werden mussten. Damit wurde nicht nur Originalsubstanz gerettet, auch das Budget wurde deutlich entlastet, womit eine würdige und stilgerechte Sanierung wieder möglich war.
Eine Liebe zum Detail
In den Wohnungen mussten zum Beispiel die Parkettstäbe aufwändig einzeln gelöst, nummeriert und gelagert werden, damit sie nach der Ertüchtigung der Balkenlage und Aufbau einer Trittschalldämmung wieder eingebaut, geschliffen und geölt werden konnten. Minderwertige Buchenrandfriese wurden durch Eichenstäbe ersetzt.
Im Treppenhaus wurde eine komplette Restaurierung des eleganten Holzgeländers und der Massivholztritte vorgenommen. Hinzu kam ein stilgerechter Ersatz der vorhandenen Standardtüren bei den Wohnungseingängen sowie die Integration einer zeitlosen Beleuchtung. Nach dem Vorbild des Nachbargebäudes wurde an der Wand eine grobe Lamperietapete appliziert, wobei parallel zum Verlauf der geschwungenen Treppenwange eine speziell gefertigte, gebogene Lamperieleiste zur oberen Wandfläche vermittelt.
Die vor über 20 Jahren etwas lustlos eingebauten Standardküchen waren in einem gefangenen Raum hinter dem Wohnraum untergebracht. Der moderne Wunsch nach offenen Wohnküchen war im ersten Moment nicht vereinbar mit der typischen Zellenarchitektur der Bauzeit. Mit einem optischen Trick wurde beiden Bedürfnissen gerecht: eine grosszügige, holzgerahmte Wandöffnung und unterschiedliche Farb-/Materialgestaltung unterstrich den Bezug der beiden Räume zueinander und deren Eigenständigkeit gleichermassen. In allen Wohnräumen wurden Stuckrosetten und -profile originalgetreu in Vollgips ergänzt. Die Profile wurden vor Ort in Handarbeit nach traditioneller Technik gezogen.
Bäder und Duschen fügen sich als moderne Einbauten selbstverständlich in die historische Substanz ein. Mit einer unaufdringlichen, aber werthaltigen Materialwahl wurde an die bestehende Atmosphäre angeknüpft. Ein neu eingesetztes Oblicht lässt nicht nur Tageslicht via Küche in die Badezimmer, sondern nimmt ihnen auch den introvertierten Charakter. Zur Freude der neuen kleinsten Bewohnern fand sogar der Dschungel Einzug in die herrschaftlichen Räume.
Im Dachgeschoss wurde schliesslich der historische Dachstuhl restauriert und eine vollflächige aussteifende OSB-Platte gegen Erdbeben über der Balkenlage integriert. Im engen Austausch mit der Denkmalpflege und der Stadtbildkommission wurde die historische Fassade aufgrund der Sondagenerkenntnisse sorgfältig wiederhergestellt und im Erdgeschoss mit einer stilgerechten Bossierung versehen, welche diesem Gebäudesockel wieder das nötige Gewicht gab. Ein neuer Rollladenpanzer konnte in die alte Führung integriert werden; der Verzicht auf eine Walzenabdeckung liess das Gewände wieder ungestört in Erscheinung treten und die Fensterproportionen stimmiger werden. Die rücksichtsvollen und nachhaltigen Sanierungsarbeiten fügten sich nach Abschluss der Arbeiten dank dem grossen Effort aller Beteiligten zu einem harmonischen Gesamtkonzept zusammen, wodurch die historische Liegenschaft nun wertgesteigert weitergenutzt werden kann.