Was transportieren Nutzfahrzeuge im urbanen Raum eigentlich? Was Städte zum Wirtschaftsverkehr wissen sollten.
Der wachsende Verkehr mit Nutzfahrzeugen verschärft Konflikte im urbanen Raum. Unsere Verkehrsberater bieten eine differenzierte Sicht und massgeschneiderte Lösungen.
Ein Lieferwagen parkt auf dem Velostreifen. «Muss das sein? Diese Paketlieferanten werden immer dreister, überall stehen sie im Weg.», beschwert sich eine Velofahrerin. Zürich Nordring: Ein Autofahrer steht im Stau, zu seinem Beifahrer meint er in genervtem Ton: «Jeden Tag stehe ich hier und mit mir dutzende Lieferwagen. Ohne die würde ich hier nicht meine Zeit verschwenden.» Fahrzeuge des Güterverkehrs sind gesellschaftlich zunehmend in Ungnade gefallen. Spätestens seitdem der Onlinehandel den Verkehr mit Paketen aus einer Nische zum bekanntesten Teil des Güterverkehrs gehoben hat, ist dieser in der gesellschaftlichen Diskussion präsent.
Ohne Nutzfahrzeugverkehr geht es nicht
Dabei werden jedoch viele Aspekte vergessen. Fahrten mit Güterfahrzeugen dienen keinem Selbstzweck, sondern der Ver- und Entsorgung von Städten und Regionen, dem Detailhändler zum Füllen der Regale, dem Handwerker für die Fahrt zu Baustellen, dem Techniker zur mobilen Werkstatt und vielem mehr. Auch wenn es sich oft anders anfühlt: Wir sind auf den Nutzfahrzeugverkehr angewiesen. Die diversen Nutzungen haben zudem unterschiedliche Einsatzprofile und Anforderungen. Fahrten mit Nutzfahrzeugen sollten deshalb weniger über die eingesetzten Fahrzeuge und mehr über den Zweck der Fahrt definiert werden, um sie gänzlich verstehen und damit regulieren aber auch unterstützen zu können.
Wirtschaftsverkehr anders denken
Hier setzt die Grundlagenstudie zum Wirtschaftsverkehr in Urbanen Räumen des Bundesamts für Raumentwicklung (ARE) an. In der von Rapp Trans erarbeiteten Studie wird der Wirtschaftsverkehr neu definiert und beschrieben. Er umfasst die vier Teilsegmente:
- Güterverkehr (z.B. Paketlieferungen),
- Dienstleistungsverkehr mit (z.B. die Lieferung und Installation der neuen Waschmaschine) Ware
- Dienstleistungsverkehr ohne Waren (z.B. der Handwerker zur Fensterreparatur) sowie
- Personenwirtschaftsverkehr (z.B. die Fahrt mit einem privaten Taxi).
Die Ergebnisse der Untersuchung mögen unsere Beispielkritiker überraschen. Gemeinsam machen alle vier Segmente nur etwa 17 Prozent an der Gesamtfahrleistung auf Schweizer Strassen aus und Lieferwagenverkehr wird nicht überwiegend durch Paketboten, sondern durch den Dienstleistungsverkehr verursacht. Dennoch gibt es Handlungsbedarf. Die jetzige Datengrundlage erlaubt keine genaueren Analysen des Wirtschaftsverkehrs; es fehlt generell an Verständnis für den Wirtschaftsverkehr. Technisch müssen geeignete Flächen für den Be- und Entlad erfasst und ausgewiesen werden. Konflikte mit anderen Verkehrsteilnehmenden, insbesondere dem Fuss- und Radverkehr, müssen entschärft werden.
Mit der neuen Grundlagenstudie Wirtschaftsverkehr liegt nun eine differenziertere Sicht auf den Verkehr für geschäftliche und dienstliche Zwecke vor. Diese hilft allen involvierten Akteuren den Wirtschaftsverkehr besser zu verstehen und bei zukünftigen Entscheidungen adäquat zu berücksichtigen.
Facettenreicher Wirtschaftsverkehr
Der Bericht zeigt, dass sich der differenzierte Blick auf den Wirtschaftsverkehr lohnt. Die Rapp Trans konnte erstmals eine fahrzeugunabhängige Segmentierung des Wirtschaftsverkehrs vornehmen und untersuchen. So lässt sich erkennen, dass der Wirtschaftsverkehr viel facettenreicher ist als ihn Nutzfahrzeugfahrten von A nach B erscheinen lassen. Er ist zudem nicht, wie oft unterstellt, nur Verursacher, sondern auch direkt betroffen von Verkehrsproblemen. Mit dieser neuen Grundlage kann der Wirtschaftsverkehr nun besser modelliert und diskutiert werden, die Ver- und Entsorgung durch geeignete Handlungen sichergestellt, unterstützt und verträglich abgewickelt werden sowie Probleme mit zielgerichteteren Massnahmen angegangen werden.
Studie «Wirtschaftsverkehr in urbanen Räumen» (November 2021)
Mehr Informationen zum Thema: Bundesamt für Raumentwicklung ARE