Mit Drehscheiben intermodale Mobilität fördern
Ein höheres Verkehrsaufkommen führt zur Überlastung von Verkehrsachsen. Vor allem an den Schnittstellen zwischen Autobahnen und dem nachgelagerten Strassennetz. An und für sich keine neue Erkenntnis. Neu hingegen ist, dass intermodale Angebote Abhilfe schaffen könnten. Beispielsweise mit Autobahndrehscheiben, wie zwei neue Studien zeigen, an denen Rapp mitgearbeitet hat.
Welche Wege mit welchem Fahrzeug zurückgelegt werden, läuft in der Regel nach routinierten Mustern ab. Ein Umdenken im individuellen Mobilitätsverhalten ist schwierig. Das kennen wir von uns selbst. Wenn, dann oft nur unter Zwang oder in einer Ausnahmesituation. «Oder wenn intermodale Angebote zur Verfügung stehen», meint Yves Gasser von der Rapp AG. Intermodalität bedeutet eine Verkettung von Verkehrsmitteln für denselben Weg. «Man fährt mit dem Velo zum Bahnhof und von dort aus weiter mit der Bahn.»
Zum Umdenken mobilisieren
In der Mobilitätsberatung beschäftigt sich Rapp intensiv mit der Frage, wie Menschen zum Umdenken ihres Verkehrsverhaltens motiviert werden können. «Wenn das Kombinieren von Verkehrsmitteln leicht und bequem ist, kann sich intermodales Mobilitätsverhalten zu einer neuen Routine etablieren», ist Gasser überzeugt. Genau dieser Frage gingen er und sein Team in den Studien «Autobahndrehscheiben» und «Abhängigkeiten und Wechselwirkungen von Drehscheiben und Parkraum» nach. Im Rahmen des Schnittstellenprogramms des Bundesamtes für Strassen (ASTRA) untersuchte die Arbeitsgemeinschaft bestehend aus der Rapp AG und der ewp AG, ob mit Autobahndrehscheiben und einem intermodalen Angebot Vorschub für ein Umdenken geleistet werden könnte und was für verkehrliche Auswirkungen dadurch zu erwarten wären.
Autobahndrehscheiben als Entlastung
«Autobahndrehscheiben sind Umsteigepunkte vom motorisierten Individualverkehr auf den ÖV oder Langsamverkehr in unmittelbarer Nähe eines Autobahnanschlusses», erklärt Yves Gasser. Wächst der motorisierte Individualverkehr, und davon gehen die Autoren der Studie in Einklang mit den Prognosen des Bundes aus, dann verschärft sich das Problem überproportional. «Während der Hauptverkehrszeiten ist der Verkehrsfluss bei Autobahnanschlüssen bereits heute vielerorts beeinträchtigt. Dabei kommt es zu einem Rückstau sowohl auf der Autobahn wie auf dem Zubringer in die Kernstädte», sagt Severin Lauper, Fachplaner für Mobilität und Logistik. Autobahndrehscheiben seien nicht überall nötig, ergänzt der Fachplaner, sondern aus verkehrsplanerischer Sicht dort sinnvoll, wo die Arbeitspendler schlechte oder gar keine ÖV-Anbindungen vom oder zum Wohnort haben.
Zwei Entwicklungshypothesen
Deshalb habe man den Fokus in den Studien einerseits auf die Wechselwirkungen zwischen Drehscheibe und dem Parkraum von Städten gelegt, andererseits auch die Situation des öffentlichen Verkehrs untersucht, erklärt Lauper. Um diese Fragen zu beantworten, geht die Arbeitsgemeinschaft von zwei Entwicklungshypothesen aus. Erstens: Autos werden künftig elektrifiziert und besonders für die weniger mit dem ÖV erschlossenen ländlichen Räume genutzt. Und zweitens wird in den dichtbesiedelten Agglomerationsräumen der individuelle Personenwagen an Bedeutung verlieren. Diese zwei Entwicklungsstränge von Stadt und Land akzentuieren sich an den Schnittstellen des Nationalstrassennetzes. «Besonders stark in den Agglomerationen», meint Severin Lauper. Der Engpass sei dort vorprogrammiert. Parallel dazu würden auch Unfälle, Umweltauswirkungen und Flächenverbrauch zunehmen.
Spürbare Entlastungen
Exemplarisch untersucht wurden die Städte Lenzburg, Baden, Zürich und Winterthur. «Die Verfügbarkeit von Parkraum in der Kernstadt ist unter anderem entscheidend für die Wahl des Verkehrsmittels zwischen Zentrum und Umland», sagt Lauper. Um den Umstieg zu fördern, muss die Parkierung in der Kernstadt über Parkgebühren oder -beschränkungen reguliert werden. Doch eine solche restriktive Parkraumpolitik stehe oft in Widerspruch mit den wirtschaftlichen Interessen der Kernstadt. «Öffentliche Parkplätze bringen viel Geld in die Kasse», sagt Severin Lauper. Zudem opponiert stets auch das lokale Gewerbe, wenn die öffentliche Hand Parkraum reduziert. Yves Gasser und Severin Lauper sind trotzdem überzeugt, dass richtig dimensionierte Verkehrsdrehscheiben an ausgewählten Orten einen Lösungsansatz darstellen. «Parkplatzverlagerungen vom Zentrum an Verkehrsdrehscheiben können spürbare Entlastungen der Zubringerachsen in die Kernstädte bringen.» Zudem, ergänzen beide, könne durch den Wegfall von Parkplätzen der öffentliche Raum in den Städten neu genutzt werden.
Vorteile für Nutzende
Damit die Autobahndrehscheiben als Umsteigeort genutzt werden, hängt vieles vom direkten Nutzen für regelmässige Pendlerinnen und Pendler ab. So sind flexible und attraktive Abos und Kombitickets für funktionierende Drehscheiben eine zentrale Voraussetzung. Die Vorteile von Drehscheiben können für Nutzende im Komfort, Zeitgewinnen oder Zusatzservices liegen. «Mit den richtigen Massnahmen gegenüber der direkten Autofahrt, kann der Komfort zum Beispiel durch den Wegfall der Parkplatzsuche erhöht werden», meint Severin Lauper. Oder die Nutzenden können den Stau mit einer ÖV-Expressverbindung mit dichtem Fahrplan oder einer Veloschnellroute umgehen und gelangen so schneller ins Stadtzentrum als heute. Wenn der Umstieg zu kürzeren Reisezeiten und besserem Komfort als mit dem individuellen Fahrzeug führt, dann sind die Menschen bereit, umzusteigen sind Yves Gasser und Severin Lauper überzeugt. «Das Interesse an intermodalen Angeboten ist vorhanden – und letztendlich erkennen viele in der Studie befragte Personen auch den Vorteil für den Klimaschutz».